Unser Mitglied Dr. Monika Hähnel hat ihren Eindruck von der Leipziger Tagung zum Thema „Schullesung“, die am 24. September 2022 stattfand, für unsere Webseite formuliert.

Gustav Franz hat in der Mittagspause (fast) alle Teilnehmerinnen und Teilnehmer für ein Gruppenbild gewinnen können.

In Arbeit ist eine Publikation, als Ergebnis der Tagung, die auch auf das Rahmenprogramm verweisen wird. Demnächst folgen an dieser Stelle Informationen dazu.

Ralph Grüneberger

Foto: Gustav Franz

Hungrig auf Vorlesen

Am Morgen lief Synke Vollring vom Tagungsteam noch schnell in die benachbarte Buchhandlung, um die Kopien der aktuellen Teilnehmerliste abzuholen; im Hof steckten ihre Mitstreiter die Tagungspapiere auf die Klemmmappen; wer vorzeitig da war, spazierte noch um das Häuserquadrat der Kantstraße und wartete auf Einlass zur Tagung. Die fand im Rahmen der „Tage der Poesie in Sachsen“ statt, die es zum vierten Mal gab und war in diesem Jahr verbunden mit einem Jubiläum der einladenden Gesellschaft für zeitgenössische Lyrik: ihrem 30jährigen Bestehen.

Die „weiße Sterilität“ der Galerie KUB in der Kantstraße in Leipzig im Rücken, hatte man für die Tagung Hof und Hintergebäude als Ort gewählt und die Septembersonne gab sich Mühe, das „industrielle Backsteinflair“ ins Licht zu setzen. So hatte einstmals  jemand getitelt, um die Architektur des Areals zu kennzeichnen. Schon in den Minuten vor Beginn hatte man den Eindruck, dass man mehr nach den Gesichtern suchte, die man kannte und nicht so auf die Umgebung achtete, denn das Rahmenprogramm der Lyrikgesellschaft hatte in den zurückliegenden Tagen viele Möglichkeiten geboten, sich zu begegnen, und so setzten manche Kleingruppen unkompliziert ihre Gespräche fort, neu Hinzugekommene wurden besonders durch diejenigen ins Tagungsthema gezogen, die in den letzten Tagen als AutorInnen in Schulen von Leipzig und seines Umlandes Lesungen gemacht hatten.  Juliane Breinl erzählte begeistert von einem Schreibprojekt „Auf einer Insel“…                                                                                                                       

Der Tagungstitel „Die Schullesung – ihre Bedeutung und Wirkung“ kam, verglichen mit den poetischen Titeln der vorangegangenen Veranstaltungen, reichlich hölzern daher, aber im Laufe des Tages war mehrmals zu hören: „Hätte  nicht gedacht, dass das so spannend werden würde!“

Von Anfang an war man sich einig, dass das Thema für alle Anwesenden von großer Wichtigkeit ist, denn Schule ist ja viel mehr als ein „Auftrittsort“ für Autoren, sondern jenes Feld, auf dem Kinder über das Medium Buch mit dem Leben vertrauter werden können, animiert zu Nachfragen und Meinungsäußerungen, auch zu eigenem Lesen und Schreiben.

Ralph Grüneberger, der langjährige Vorsitzende – und jetzige Ehrenvorsitzende – der Gesellschaft, begrüßte deshalb neben den Autoren besonders die Lehrer, Bibliothekare und weitere Literaturvermittler aus Vereinen, Initiativen oder einer Leseagentur.

Zwei sehr gute Impulsreferate von Grit Kurth (Leipzig) und Klaus Nührig (Braunschweig) – beide an Gymnasien lehrend – stimulierten sofort die Diskussionen, in denen Stimmen aus allen Gegenden zusammen kamen – aus Hamburg und Nürnberg, der Hauptstadt, dem Harz und natürlich aus Leipzig und Sachsen.

Grit Kurths Erinnerung an die durch den Medienkonsum erschreckend  reduzierte Aufmerksamkeitsspanne von ca. 8 Sekunden (beliebte, aber stimmende Angabe im  Marketingbereich) bei Kindern und Jugendlichen, stieß vielerlei Überlegungen und Erfahrungen an, die gerade darauf hinaus laufen, wie diese Spanne erweitert und für eine packende Begegnung zwischen AutorIn – Buch – und Kind (bitte auch Lehrer!) führen kann. Man muss es später in den Beiträgen noch einmal nachlesen, weil der Reichtum der Anregungen überbordend war. Manchmal hakte sich ein Satz fest, über den man im Pausengespräch oder eben in der späteren Lektüre ins Gespräch und Nachdenken kommen würde oder den man sich gleich als Vorlesende ins Gedächtnis einbläute. „Lies lebendig, aber erzähle auch, lass schon bald Fragen zu und frage selbst!“ – „Überlege immer, was die ausgewählten Texte mit der Lebenswelt deiner jugendlichen Zuhörer zu tun haben!“ – „Lies wenig! Streiche, bis es weh tut!“- „Stehe, damit Du alle sehen kannst und Dich alle sehen!“ – „Lass Dir nicht mehrere Klassen in Turnhallen als Zuhörer und Orte einreden!“- „Setze so wirkungsvoll wie reduziert Extras ein – Flipcharts und Ritterkostüm führen vom Textverstehen eher weg als hin!“…

Die mittägliche „Hofpause“ weitete sich zu einem Fest: Schmackhafte Gulasch-, und (nach meinem Empfinden) nicht so schmackhafte Brokkoli-Suppe, Brötchen mit herrlich Unexotischem wie Blut- und Bratwurst belegt und Getränke zogen erst einmal die Aufmerksamkeit aller auf sich, aber auch über den Löffel weg ließ sich ein Lob für den Beitrag des Gegenübers brabbeln oder mit einer Kopfbewegung andeuten, dass man gleich noch dringend etwas ergänzen wollte. Wem nicht nach Fortsetzung der Diskussion war, ging in die Sonne vors Tor oder inspizierte den Büchertisch im Tagungsraum, der von anwesenden AutorInnen Texte anbot, die man gleich noch signieren lassen konnte.

Als Kerstin Hensel, die Tagungsleiterin, wieder alle bat, die Plätze einzunehmen, folgte man aufs Wort – man war auf die vielen Wortmeldungen neugierig, die angemeldet worden waren.                                                                                                                                          

Mehrere AutorInnen berichteten von Highlights und sozusagen „unterirdischen“ Erfahrungen in Lesungen, so dass Katja Lange-Müller überlegte, ob man nicht daraus ein Buch machen sollte, aber wer würde das lesen? – Hören wollten aber alle davon, jetzt und hier, denn daraus ließen sich weitere Empfehlungen ableiten.

Carl-Christian Elze plädierte dafür, das Anfangsinteresse zu verteidigen. Dass ihm das mit einem an ihn überkommenen Löwenfell gelingt, wenn er sein Buch „Oda und der ausgestopfte Vater“ vorstellt, leuchtete ein, aber es muss eben auch mit Spannung und Humor erzählt und Kinder animiert werden, sich gegenseitig zuzuhören. Auch Sabine Ludwig teilte u.a. eine solche Beobachtung mit, dass Kinder oft keine eigenen Bilder im Kopf zu entwickeln scheinen, weil ihre zum Teil von medialen Bildern überlagerten Lebenserfahrungen keine Möglichkeit bieten, auf individuelle Weise am Text anzudocken.

Ein Höhepunkt war zweifellos der brillant formulierte Beitrag von Jan Wagner, der auch Herrn Schneider, einem seiner ehemaligen Lehrer, ein Denkmal setzte. Solche Vorbilder sind für ihn „Beauftragte für Funkenflug“.

Nach dem Kaffeetrinken – Schicksal aller Tagungen – bröckelte zwar das Teilnehmerfeld, aber die Aufmerksamkeit hielt über den zum Teil schon aufgeworfenen Fragen an: Wie kann man Autoren gewinnen? Wie können Schullesungen finanziert werden? Welchen Beitrag können Verlage, Bibliotheken, Freundeskreise der Schulen, die Bödecker-Kreise oder ehrenamtlich arbeitende Lesepaten leisten?

Der Hamburger Lehrer Jochen Stüsser-Simpson berichtete von einem “Literaturcafé“ mit vielfältigstem Programm, in dem ab und zu auch ehemalige Schüler auftreten, die unter die Schreibenden gegangen sind und das auch Menschen von außerhalb der Schule einlädt.

Anderen Referenten dankte man für Berichte von einem Projekt „Schulschreiber“, für die „Kärnerarbeit“ der Lesepaten in Zwickau und die Anregungen, nicht nur an Neuerscheinungen, auch an Klassiker und die zu Unrecht vergessene DDR-Kinderliteratur zu denken und für Aufmerksamkeit für Lesungen zu sorgen, indem sie bereits in die Jahresprogramme der Schulen oder am „dritten Lernort“  einer Bibliothek aufgenommen werden …

Bis zum Beginn des Abschlussprogramms, wenn die Anstrengung vor allem von den rührigen Veranstaltern abfallen kann, würde die Sonne zwar verschwunden sein, aber noch schickte sie ihre flachen Strahlen in die Kantstraße 18. Das Team bedeckte die übriggebliebenen Wurstbrötchen mit Folie – konnte ja gut sein, dass noch einer Hunger haben würde am Abend.

Monika Hähnel


Furioser Start der Tage der Poesie in Sachsen – “Duo Stellmäcke”
Auftakt der 4. „Tage der Poesie in Sachsen“ der Gesellschaft für zeitgenössische Lyrik e.V. 

Mit „Opa hat Geburtstag“ begeisterte am gestrigen Weltkindertag das Duo „Stellmäcke“ 150 Kinder auf dem Rittergut von Großpösna. Gastgeber der Veranstaltung, war das sozio-kulturelle Zentrum KuHstall e.V., dessen Motto „Kultur für alle und Kultur von allen“ an diesem Tag vor allem den Kindern galt, die bei vielen Liedern gemeinsam mit „Stellmäcke“ einen hundertstimmigen Chor bildeten.  

Bevor sich am kommenden Freitag das Angebot erneut an Schülerinnen und Schüler richtet, laden wir heute um 19 Uhr in die Stadtbibliothek am Wilhelm-Leuschner-Platz zur Lesung aus der LEIPZIGER LYRIKBIBLIOTHEK und morgen in Literaturhaus Leipzig (Beginn 19.30 Uhr) zu „30 Jahre – 30 Liebesgedichte“ ein.

Foto: Gustav Franz

Liebe Mitglieder, lieber Interessenten!
Der Flyer der 4. „Tage der Poesie in Sachsen“ mit Angaben zu Rahmenprogramm und Tagung steht zum Download bereit..Kartenreservierungen für die kostenpflichtigen Veranstaltungen und Anmeldungen für Tagung (jeweils ermäßigt für Mitglieder) und „Offene Lesebühne“ sind jetzt noch möglich. Bitte melden Sie sich unter tagederpoesie@web.de bis zum 22.9.22 verbindlich an.

Das Programm der 4. Tage der Poesie in Sachsen: